Feste oder bewegliche Bünde?

Alle Modelle des Liuto forte sind – wenn nicht anders gewünscht – mit Festbünden ausgestattet. Dafür gibt es gute Gründe:

Zupfinstrumente, auf denen im Unterschied zum Streichinstrument kein permanenter Ton erzeugt werden kann, leben vom Nachklang der angeschlagenen Saite. Alles, was diesen Nachklang verkürzt, bedeutet Verlust an Kantabilität und musikalischen Gestaltungsmöglichkeiten.

Bei einer Laute in historischer Bauweise wird dieser Nachklang im Wesentlichen durch drei konstruktive Merkmale reduziert: die Nähe des ersten Querbalkens unter der Decke zum Steg, die Aufhängung der Saite am Steg in einer elastischen Schlinge sowie die um den Hals gewundenen Bünde aus Nylon oder Darm.

Alle drei Merkmale tragen zur auffällig geringen Klangdauer der Töne einer historischen Laute bei, was von Hörern, die nicht von vornherein Liebhaber dieses Instrumentes sind, oft als unbefriedigend empfunden wird. Die um den Hals geschlungenen Bünde alter Laute wirken – ebenso wie die Schlinge am Steg – aufgrund ihrer inneren Elastizität akustisch als Dämpfer und entziehen der angeschlagenen Saite in beträchtlichem Maße Schwingungsenergie. Ihr Gebrauch auf historischen Lauten hatte einen eher profanen Grund, den ein zeitgenössischer Autor so kommentiert: „Was die Bünde betrifft, so kann man sie fest oder beweglich machen. Die ersten können aus Holz, Elfenbein oder Kupfer sein, wie sie auf der Cister sind […]. Dennoch ist es besser, wenn sie beweglich sind, damit man sie bald zur einen Seite, bald zur anderen höher oder tiefer legen kann, um die Fehler und anderen Mängel auszugleichen, die sich stets in den Saiten befinden, deren untere Hälfte oft anders ist als die obere, und wobei einer der Bünde richtig sein kann und die anderen falsch und schlecht.”1

Das oft zu hörende Argument, daß die Beweglichkeit der Bünde um der Möglichkeit des gezielten Temperierens willen beibehalten wurde, verrät vor allem Unkenntnis über die Konsequenzen der Verschiebung eines Bundes, von der nicht nur eine Saite, sondern gleichzeitig alle benachbarten Saiten betroffen sind.

Eine Überprüfung der tatsächlichen Übertragbarkeit unregelmäßiger Temperaturen, wie man sie bis zum 18. Jahrhundert auf Tasteninstrumenten gebrauchte, führt bei Bundinstrumenten zu enttäuschenden Ergebnissen.2 Das ist nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, daß die Voraussetzung solcher Temperaturen das Vorhandensein jeweils einer freien Saite für jeden einzelnen Ton ist. Bereits um 1600 tauchen in der Lautenliteratur Stücke auf, die durch alle Tonarten modulieren und den Gedanken nahelegen, daß die gleichstufige Temperatur ihren Ausgang von den Bundinstrumenten genommen hat.3Der auch in früheren Jahrhunderten immer wieder aufflammende Streit um die beste Temperierung gestattet den Schluß, daß es zu allen Zeiten Hörer gab, denen pythagoreische Terzen oder Wolfsquinten4ein entschieden zu hoher Preis für das eine oder andere reine Intervall gewesen sind.

Sofern man also nicht von vornherein die Absicht hegt, unzulängliches Saitenmaterial zu benutzen, gibt es über die Absicht der Rekonstruktion des originalgetreuen Klanges einer historischen Laute hinaus keinen vernünftigen Grund, an den akustisch äußerst nachteiligen, beweglichen Bünden festzuhalten.

Hinsichtlich des raschen Abspielens von Darmbünden weist Ing. Benno Streu (Freiburg) noch auf zwei interessante physikalische Phänomene hin:

Eine schwingende Saite schiebt die Luft als Bugwelle vor sich her. Ist der Bund zu niedrig, berührt die Bugwelle das Griffbrett und nachfolgende Bünde, wenn die Saite auf den Bund auftrifft. Das führt zu einem vorzeitigen Zusammenbruch der Saitenschwingung. Das Phänomen tritt auf, wenn Bünde niedriger als 0,8 mm sind.

Ein anderer Verlust hängt mit dem einmolekularen Wasserfilm zusammen, der alle Gegenstände umgibt. Kommt die schwingende Saite, verursacht durch abgespielte Bünde oder zu niedrige Saitenlage beim Niederdrücken auf einen Bund dem darauffolgenden Bund zu nahe, berühren sich die Wasserfilme von Saite und Bund, wodurch der Saite ebenfalls Schwingungsenergie entzogen wird.

Beide Effekte können an E-Gitarren getestet werden, wo sich die Saitenlage während des Spiels niedrigerstellen läßt. Unmittelbar bevor die Saiten anfangen zu klirren, wird der Ton näselnd und deutlich kürzer. Es ist aus diesem Grund wichtig darauf zu achten, daß weder die Saitenlagen zu niedrig noch die Bünde zu flach sind.

Um den Hals geschlungene Bünde, die nach längerem Gebrauch oft genug die kritische Höhe von 0,8 mm unterschreiten, haben darüber hinaus die unangenehme Tendenz sich zu verschieben und damit jede vernünftige Bundeinteilung zunichte zu machen. Besonders ungünstig sind Doppelbünde. Hier trägt nur einer der Bünde die Saitenschwingung, während der zweite im Grenzbereich des oben beschriebenen einmolekularen Wasserfilms die Saite dämpft.

1 Marin Mersenne: Harmonie universelle. Contenant la théorie et la pratique de la musique. Paris 1636. Reprint Paris, Centre national de la recherche scientifique, 1975.

2 Wer sich mit diesem Thema ausführlich befassen möchte, sei auf folgende Publikation verwiesen: Werner von Strauch: Handbuch der Stimmungen und Temperaturen. Ein praktischer Leitfaden für die Spieler von Bund- und Tasteninstrumenten.

3 Selbst bei vollkommen gleichstufiger Einteilung des Griffbrettes müssen Spieler von Gitarre, Laute oder Gambe nicht befürchten, in Monotonie zu versinken. Die durch das Greifen verursachte vertikale und horizontale Auslenkung der Saiten sorgt für ausreichende, wenn auch unkonventionelle Unregelmäßigkeiten der Temperierung.

4 In der gleichstufigen Temperatur sind die großen Terzen überschwebend, die Quinten unterschwebend, beides jedoch durchaus im Rahmen des Erträglichen. Als Wolfsterzen oder -quinten bezeichnet man sie, wenn die Verstimmung einen Grad erreicht, der uns diese Intervalle nicht mehr als Konsonanz empfinden läßt. Solche Verstimmungen einzelner Terzen oder Quinten nahm man früher in Kauf, um in bestimmten Tonarten besonders rein musizieren zu können.