Ausblick: Soll der Liuto forte historische Laute und klassische Gitarre ersetzen?
Es ist wahr, daß sich mit dem Liuto forte in seinen drei Grundstimmungen e, d und g nahezu das gesamte überlieferte Repertoire für Laute und Gitarre wiedergeben läßt. Trotz dieser enormen Möglichkeiten versteht er sich jedoch nicht als Affront gegen das vorhandene Instrumentarium, sondern möchte zu einer integrierenden Mitte im breiten Spektrum der Zupfinstrumente werden, wie es die Laute in der europäischen Kulturgeschichte schon einmal war.
Der Liuto forte verhält sich zur historischen Laute und zur Biedermeiergitarre etwa wie ein moderner Konzertflügel zu Cembalo und Hammerklavier. Auch wenn auf dem Flügel eine wesentlich größere Bandbreite musikalischer Stile darstellbar ist, würde doch heutzutage niemand mehr behaupten, daß es seine Aufgabe sei, Cembalo oder Hammerklavier zu ersetzen. Ebenso wäre es weder sinnvoll noch wünschenswert, die in den vergangenen Jahren wiedergewonnene Vielfalt der historischen Zupfinstrumente durch ein übermächtiges Exemplar in ihrer weiteren Verbreitung einzuschränken.
Verunsicherte Spieler der historischen Laute seien darauf hingewiesen, daß es bei dieser Neuerung nicht darum geht, ihr Tätigkeitsfeld einzuengen, sondern zu erweitern. Es genügt auf Dauer nicht, sich mit der Pflege einer eindrucksvollen Historie zu begnügen. Wenn die Laute eine Zukunft haben soll, muß sie zunächst erst einmal in der Gegenwart ankommen.
Vielleicht sind die hier nur in Umrissen angedeuteten Möglichkeiten des Liuto forte schon Anreiz genug, um Gitarristen zu einem ernsthaften Versuch mit einem solchen Instrument zu ermutigen. Lautenisten indessen könnte die Aussicht beflügeln, jenseits historischer Begrenzungen wieder universell einsetzbar zu sein und es im 21. Jahrhundert der Erfolgsgeschichte der Gitarre im 20. Jahrhundert gleichzutun.
Zu den Spielern des Liuto forte zählen inzwischen gleichermaßen prominente Gitarristen wie bekannte Lautenspieler. Es könnte sein, daß dieses Instrument eine ähnliche Zukunft vor sich hat, wie der Arciliuto um 1600 oder das Cello knapp 100 Jahre später. Dafür spricht, daß der Liuto forte sowohl als Solo- wie als Ensembleinstrument uneingeschränkt verwendbar ist und sich auf zwei außerordentlich reiche Traditionen – die lautenistische und die gitarristische – sowie ein musikalisches Erbe aus fünf Jahrhunderten stützen kann.
Im besten Fall wird diese Zusammenfassung aller lebensfähigen Potenzen der Lauten- und Gitarrenüberlieferung zur wirklichen Reintegration eines Zupfinstrumentes in die Ensemblemusik des 21. Jahrhunderts führen. Die bisherige Entwicklung schließt solche Hoffnungen nicht aus.